Hatte die Stadt zuletzt zum 100-jährigen Eisenbahnjubiläum (1974) eine Festschrift aufgelegt, so hat Stadtarchivarin Susanna Kauffels den 150. Jahrestag zum Anlass genommen, um Fakten und Daten zu recherchieren, die in der Festschrift nicht enthalten sind. Ihre Ergebnisse wird Kauffels unter anderem in einer Abhandlung vorstellen, die im neuen Jahrbuch des Hochtaunuskreises nachzulesen sein wird, das Ende November 2024 erscheint.
Mit mehr Abbildungen und angepasstem Text wurden aus der Textvorlage in Zusammenarbeit mit der Grafikerin Cristina Dresler Info-Banner gestaltet, die in der Stadtbücherei zu sehen sein werden. Einen Schwerpunkt der Präsentation, mit der die Stadt das runde Jubiläum „ihrer“ Bahn in den Blick rückt, bildet dabei die Entwicklung und „Abwicklung“ der Infrastruktur rund um das Bahnhofsgelände.
Um auch am eigentlichen Ort des Geschehens über die 150-jährige Eisenbahn-Historie der Burgstadt zu informieren, werden am Kronberger Bahnhof Banner aufgehängt, die die Möglichkeit bieten, sich über die Geschichte zu informieren.
Historie: Jacques Reiß und Georg Jamin machten gehörig Dampf
Sich einfach seine eigene Eisenbahn bauen, um schnell und verlässlich nach Frankfurt zu kommen – das wäre doch was. Wer am Kronberger Bahnhof auf die S4 wartet und gerade an den Wochenenden immer wieder feststellen muss, dass sie gar nicht kommt, dem könnte der Gedanke an einen eigenen Zug sicher gefallen. Heute ist das natürlich undenkbar, sind die Gleise von Mainhattan in die Burgstadt doch Teil eines komplexen Schienennetzes mit unzähligen Knotenpunkten, Weichen und Bahnhöfen, die man nicht mal so nach eigenem Gusto gestalten kann.
Um 1870 jedoch war das noch anders. Da war zwischen der Großstadt und dem Taunusstädtchen die Bahn eigentlich frei für die Bahn und die Bereitschaft, dafür die Weichen zu stellen, groß. Vor allem bei jenen Kronberger Neubürgern, bei denen schon damals der Weg vom Taunus an den Main immer auch der Weg zur Arbeit war.
Allerdings waren das nicht „irgendwelche“ Pendler. Die Männer, die damals den Zug nach Kronberg aufs Gleis setzen wollten, gehörten zu den solventesten Unternehmern und Bankiers Frankfurts. Darunter waren die Oberhäupter der Familien Bonn und Passavant, Konspeyer und von Steiger, aber vor allem auch Jacques Reiss, der zur treibenden Kraft des Eisenbahnbaus werden sollte.
Sie alle hatten sich in den späten 1850er und 1860er Jahren ein „Häuschen“ im Grünen gekauft - fernab des Betriebs am Main. Ein perfekter Ort fürs Private. Allein, die Geschäfte wurden immer noch im Schatten des Kaiserdoms gemacht. Und die Bahn konnte den Transfer dahin erheblich erleichtern.
Ganz neu war der Gedanke an eine Anbindung Kronbergs an das wachsende Schienennetz denn auch nicht. Nachdem die Homburger bereits seit 1860 über den Knotenpunkt bei Rödelheim mit Frankfurt verbunden waren, drängte der Kronberger Gemeinderat angeführt von Bürgermeister Georg Jamin mehrfach in Wiesbaden auf einen eigenen Anschluss – jedoch vergeblich. Die entscheidenden Regierungsstellen im Herzogtum Nassau hatten die Burgstadt noch lange nicht auf dem Fahrplan.
Diese Option sollte erst Druck auf den Kessel bekommen, als nach 1866 die Preußen in Rhein-Main das Regiment übernahmen. Zwar gab es auch von denen kein Geld für den Bau, aber zumindest das „Go“, so dass die Kronberger die Sache selbst in die Hand nehmen konnten.
Hatte sich 1869 in der Burgstadt bereits ein erstes Komitee zum Bau einer Lokalbahn zwischen Kronberg und Rödelheim gegründet, wurden 1872 Nägel mit Köpfen gemacht: Die „Cronberger Eisenbahn-Gesellschaft“ wurde aus der Taufe gehoben. An der Spitze der Bewegung und vor allem auch der privaten Geldgeber stand Jacques Reiss, ein Mann, der mit dem Teehandel und einem eigenen Geldhaus zu einem stattlichen Vermögen gekommen war. Mit jeweils 10000 Gulden stiegen als weitere Aktionäre unter anderem die Familien Kohnspeyer, Borgnis, von Steiger, Bonn oder auch Passavant ein.
Ganz so leicht von der Hand ging die Realisierung eines solchen Großprojekts aber auch schon damals nicht. Die notwendigen Grundstückskäufe waren eine gewisse Herausforderung, zudem gab es wohl auch noch „Missverständnisse“ mit dem preußischen Eisenbahn-Kommissariat, die es auszuräumen galt. Nachdem das allerdings geschafft und die am 21. Februar 1873 in Rödelheim gestartete Vermessung in Kronberg zum Abschluss gekommen war, ging der erst im Spätherbst 1873 angelaufene Bau doch sehr zügig voran. Am 5. Oktober 1874 wurde dem Landrat die Fertigstellung gemeldet.
Die ersten Fahrten nach Plan auf der neuen „Cronberger Eisenbahn“ rollten dann am 1. November 1874 an.
Hintergrund: Zug um Zug
Die 1974 zum 100-jährigen Bestehen der Kronberger Eisenbahn erschienene Festschrift enthält eine Vielzahl an Zahlen, Daten und Informationen, die einen guten Eindruck davon geben, wie alles begann. Hier ein paar Beispiele:
Ab Rödelheim gerechnet hatte die Strecke eine eingleisige Länge von 9,626 Kilometern. Auf diesem Weg galt es, einen Höhenunterschied von rund 117 Meter zu bewältigen.
Der Betrieb wurde zunächst mit der dreiachsigen Lokomotive „Feldberg“ und einer zweiten namens „Altkönig“ angefahren. Später kamen noch die Loks „Cronberg“ und „Jacques Reiß“ hinzu. 1912 verfügte die Betreibergesellschaft zeitweise über neun dreiachsige Loks. Die Waggons verfügten über Abteile der Klassen I bis III.
Während zu Beginn nur 4 Züge täglich verkehrten, waren es im Sommer 1875 bereits 7 in jeder Richtung.
An Gebäuden waren entlang der Strecke 2 Bahnhöfe, 1 Haltepunkt, 1 Verwaltungsgebäude, 1 Dienstgebäude, 3 Bahnsteige, 1 Wagenschuppen, 1 Güterschuppen und ein eingleisiger Lokschuppen vorhanden. Da die Kaiserin Friedrich nach 1894 häufig noblen Besuch empfing, musste am Bahnhof auch ein „Fürstenpavillon“ gebaut werden.
Während Niederhöchstadt und Eschborn nur Haltestellen für den Personen- und Güterverkehr waren, hatte das Kronberger Dienstgebäude auch eine Dienstwohnung.