Die Läufe von sich gestreckt, der Bauchraum weit aufgerissen liegt der Kadaver eines jungen Rehbocks vor ihnen. Dieser Anblick lässt niemanden kalt – auch nicht Philipp Werner und Tino Berger. Die Beiden zeichnen für die Jagdausübung in der Stadt und der Feldrandgemarkung verantwortlich, sind erfahrene Waidmänner und finden schnell schlüssige Anhaltspunkte für das, was sich wohl am Vorabend hier zugetragen hat.
Augenscheinlich ist das Reh von einem Hund zunächst gejagt und dann gerissen worden. Dafür und für eine Attacke von hinten sprechen Verletzungen im Rückenbereich des getöteten Tieres wie auch ein gebrochener Hinterlauf. Berger und Werner wissen sehr genau, wo sie zu suchen und hinzuschauen haben. Denn leider ist es nicht der erste Fall eines Hunderisses, den sie in ihrem Revier begutachten müssen. Auch dass der Bauch des Rehbocks geöffnet und weitgehend ausgehöhlt ist, kann die beiden Fachmänner nicht überraschen. Vermutlich hat sich hier über die Nacht ein Fuchs an dem Kadaver zu schaffen gemacht.
Und doch birgt der Fund vom vergangenen Freitag auch für Berger und Werner durchaus Ungewöhnliches. Da ist zunächst einmal der Fundort. Zwar war bereits bekannt, dass es im Park des Schlosshotels vereinzelt Rehwild gibt. Hinweise darauf, dass dies gleichermaßen im Victoriapark der Fall sein könnte, gab es bislang jedoch nicht. Ein weiterer gravierender wie verstörender Unterschied zu Hunderissen der Vergangenheit betrifft den Zustand, in dem der Kadaver entdeckt wurde: Dem Rehbock fehlt der Kopf.
Aus Sicht der Fachleute gibt es klare Anzeichen dafür, dass der Kopf von Menschenhand vorsätzlich und mit Sachverstand abgetrennt wurde – was wiederum eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. War hier ein Trophäenjäger am Werk? Wenn ja – war es der Halter des Hundes? Und wie und wann schritt der Betreffende zur Tat?
„Wir hoffen sehr, dass uns hier mögliche Zeugen bei der Beantwortung der Fragen weiterhelfen können“, unterstreicht Michael Richter, Leiter des zuständigen Fachbereichs „Einwohnerservice“ im Kronberger Rathaus. Wer sachdienliche Hinweise zur Aufklärung beitragen könne, sei herzlich gebeten, sich mit der Polizei oder mit der Stadt Kronberg unter der Rufnummer (06173) 7031221 in Verbindung zu setzen.
Sei der Umstand, dass hier ein Hund offensichtlich den Rehbock gerissen hat, schon als Verstoß gegen das Hessische Jagdgesetz zu werten und laut Hessischem Jagdgesetz mit einer Geldbuße von bis 25000 Euro zu ahnden, so bekomme der Fall hier durch das Abtrennen des Kopfes noch eine besondere strafrechtliche Relevanz.
Tino Berger, der von einer Hundehalterin am Freitagmorgen auf den Fund im Victoriapark aufmerksam gemacht worden war und daraufhin die Stadt verständigt hatte, sieht nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnisse den Tatbestand der Jagdwilderei gegeben. Und dafür sind im Strafgesetzbuch empfindliche Strafen festgeschrieben. Je nach Lage des Falls beginnt das bei Geldstrafen und kann in besonders schwerwiegenden Fällen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren nach sich ziehen. Eine entsprechende Anzeige ist bei der Polizei gestellt, ergänzt um den gegen den Hundehalter gerichteten Vorwurf des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.
Mit Nachdruck unterstreicht Fachbereichsleiter Michael Richter vonseiten der Stadt in diesem Zusammenhang, dass es letztlich keine Rolle spiele, wo im Victoriapark der Hund dem Reh nachgestellt und es getötet habe. Zwar werde auf der sogenannten „Hundewiese“ eine Ausnahme von der ansonsten im gesamten Park geltenden Anleinpflicht gemacht, so dass die Vierbeiner in diesem begrenzten Bereich grundsätzlich freilaufen können. Allerdings nur unter Aufsicht und auch nur dann, wenn die Tiere aufs Wort hören und durch ihre Halter immer abrufbar sind.
Dass es damit allerdings oft nicht allzu weit her ist, wenn es zu Beißereien mit anderen Hunden kommt oder bei einem Hund der Jagdinstinkt durchbricht – dafür ist der Vorfall im Victoriapark nur der jüngste Beleg.
Richter: „Im Nachgang bekommen wir dann von Frauchen oder Herrchen zu hören, dass der betreffende Hund das doch noch nie gemacht habe und eigentlich ein ganz ,Braver‘ sei – das aber reicht weder als Trost noch als Rechtfertigung, wenn ein Vierbeiner zubeißt.“ Letzteres kann für den Halter eine beträchtliche Geldbuße nach sich ziehen und für den Hund zur Folge haben, dass er als „gefährlich“ eingestuft wird.
Die sich hieraus ergebenden und in der Hessischen Hundeverordnung festgeschriebenen Konsequenzen sind denen eines sogenannten „Listenhundes“ gleichgestellt und reichen von einem erhöhten Steuersatz über die Auflage zur Erbringung eines Wesenstests und Sachkundenachweises bis hin zur Verhängung eines Leinen- und Maulkorbzwangs.
„Als Stadt können wir daher nur an alle Halterinnen und Halter appellieren, die eigenen Hunde nicht unbeaufsichtigt herumstreifen zu lassen. Im Zweifelsfall sollte das Tier stets an der Leine geführt werden“, rät Michael Richter.
Hinweis:
„Hunde sind an der Leine zu führen.“ So sieht es die Satzung über die Nutzung der Kronberger Grünanlagen vor und so steht es weiß auf grün auch an allen Hauptzugängen zum Victoriapark.
Allein wirklich Notiz scheinen von den Schildern nicht allzu viele Hundehalterinnen und Hundehalter zu nehmen oder nehmen zu wollen. Das zeigt ein Blick auf die vielen freilaufenden Vierbeiner im Park und das bestätigen auch die teils barschen Reaktionen von Herrchen wie Frauchen, wenn sie von Passanten oder den Mitarbeitern des Ordnungsamtes auf die Leinenpflicht aufmerksam gemacht werden.
Auch der Umstand, dass auf der sogenannten „Hundewiese“ im Victoriapark eine Ausnahme von der Leinen-Regel gemacht wird, ist kein Freilauf-Schein. Nur in diesem klar umgrenzten und mit Schildern gekennzeichneten Bereich dürfen Rex, Waldi oder Luna ohne Leine unterwegs sein. Und auch nur dann, wenn sie stets abrufbar sind und keine Gefahr für andere Tiere oder Menschen von ihnen ausgeht.
So sieht es die Hessische Hundeverordnung vor und darauf fußt auch die städtische Hundeordnung. Darin heißt es unter anderem, dass Hunde in öffentlichen Anlagen im Stadtgebiet an der Leine zu führen sind. Genannt sind in diesem Zusammenhang der Victoriapark, der Rathausgarten, der Schulgarten, die Parkanlage „Alter Friedhof“, Spiel- und Bolzplätze sowie darüber hinaus alle sonstigen öffentlichen Parkanlagen. Zudem ist untersagt, Hunde ohne Aufsicht in den Anlagen umherlaufen zu lassen.
Die sich aus dem Leinenzwang ergebenden Verpflichtungen treffen den Halter und die Person, die die tatsächliche Gewalt über den Hund ausübt (Begleitperson). Das gilt gleichermaßen, wenn es darum geht, die Hinterlassenschaften der Vierbeiner zu entsorgen. Denn auch das ist klare Vorgabe der Hundesatzung.
Wer diesen Pflichten nicht nachkommt, kann wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von 10 bis 500 Euro belegt werden.