Stadt lässt Fahrzeuge der Feuerwehren mit Abbiegeassistenten nachrüsten

Hi-Tech bringt Licht in den Toten Winkel


Sieht man einmal vom guten alten Lenkrad ab, hat das Führerhaus des Hilfeleistungslöschgruppen-Fahrzeug 20 (HLF 20) heute doch sehr viel mehr von einer Pilotenkanzel.

Hier ein Bildschirm, da auch noch einer, dazu leuchtende Dioden, Funkgeräte und andere Geräte, die auch alle ihren Sinn haben, zum Glück aber nicht in Gänze während der Fahrt mit dem 14-Tonner im Auge zu behalten sind. „Einige der Steuerelemente dienen ausschließlich der Koordination am Einsatzort“, erklärt Dietz einen seiner vielen Arbeitsplätze am Stützpunkt der Kronberger Feuerwehr in der Heinrich-Winter-Straße. Als hauptamtlicher Gerätewart im Dienst der Stadt trägt Dietz dort wie auch im Gerätehaus der Oberhöchstädter Wehr gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Otto maßgeblich dafür Sorge, dass sich die ehrenamtlichen Kameradinnen und Kameraden im Ernstfall auf ihre Ausrüstung verlassen können.

Genau diesem Ziel dient auch der neueste Zugang im „Cockpit“ des HLF 20. Auf der Beifahrerseite, genauer in der Ecke der Windschutzscheibe wurde ein weiterer kleiner Bildschirm montiert samt LED-Anzeige in Säulenform. Die leuchtet eben noch blau und schlägt im nächsten Moment auf Rot um. Der Grund dafür erscheint auf dem Bildschirm: Es ist Dietz‘ Kollege Daniel Otto, der auf der rechten Seite des Fahrzeugs auftaucht und den erfolgreichen Funktionstest für das unlängst installierte „Abbiegeassistenzsystem“ auslöst. So soll es sein.

Denn mit einem Blick des Fahrers in den Spiegel auf der Beifahrerseite wäre in dem Fall nicht geholfen gewesen. Otto befindet sich nämlich im sogenannten toten Winkel und damit in einem gerade für Radfahrer und Fußgänger besonders gefährlichen Bereich – vor allem beim Rechtsabbiegen.

Setzt ein LKW-Fahrer mit seinem tonnenschweren Gefährt dazu an und hat nicht im Blick, was sich an der rechten Seite seines Fahrzeugs tut, dann kann das gravierende, nicht selten tödliche Unfälle nach sich ziehen. So besagt eine Statistik des Bundesverkehrsministeriums für 2022, dass von den 2904 Kollisionen mit Personenschaden zwischen Güterkraftfahrzeugen und Radfahrern 851 sogenannte „Abbiegeunfälle“ waren. Dabei kamen 19 Radfahrerinnen und Radfahrer ums Leben.

Um diese Gefahr, wenn sie sich auch nicht komplett bannen lassen wird, zumindest entscheidend zu verringern, hat die EU 2019 beschlossen, dass alle Busse und LKW über 7,5 Tonnen, die nach dem 1. Juli 2024 neuzugelassen werden, sogenannte „Abbiegeassistenzsysteme“ vorweisen müssen. Doch was ist mit den vielen Bestandsfahrzeugen auf deutschen Straßen? Damit auch die   sicherer werden, wurde vom Bundesamt für Logistik und Mobilität das Förderprogramm „Abbiegeassistent“ aufgelegt, aus dem all jene Zuschüsse erhalten sollen, die bereit sind, ihre Alt-Fahrzeuge mit den Assistenzsystemen nachzurüsten.

Ein Angebot, von dem auch die Stadt Kronberg mit Blick auf ihren Feuerwehr-Fuhrpark Gebrauch gemacht hat. „Mit Ausnahme unseres Logistik-Wagens, der ohnehin in naher Zukunft durch ein neues Fahrzeug mit Assistenzsystem ersetzt wird, haben wir alle unsere Fahrzeuge über 3,5 Tonnen in Kronberg und Oberhöchstadt mit den Tote-Winkel-Assistenten nachrüsten lassen“, erläutert Michael Richter, Leiter des Fachbereichs 2 im Kronberger Rathaus, in dessen Verantwortung auch die Freiwilligen Feuerwehren der Burgstadt fallen. Knapp 40000 Euro seien hierfür investiert worden. Gut angelegtes Geld, da sind sich Richter und die Gerätewarte absolut einig. Und das umso mehr, als von der Summe über das Förderprogramm rund 13500 Euro an die Stadt zurückfließen.

 

Viel wichtiger jedoch ist, dass die „Maschinisten“, also die Fahrer der Einsatzfahrzeuge, künftig eine wichtige Hilfe an ihrer Seite haben, wenn sie mit ihren stählernen Riesen auf den mitunter engen und schlecht einsehbaren Straßen der Burgstadt unterwegs sind. „Radarsensoren scannen das Umfeld der Beifahrerseite im 180-Grad-Winkel auf einer Länge von 40 Metern und melden Auffälligkeiten. Hinzukommt eine Kamera oben am Fahrzeug, die das, was sich im toten Winkel befindet, auf den Bildschirm im Fahrzeuginneren überträgt“, erläutert Christopher Dietz. So wichtig und sogar lebensrettend das System sein könne, so sehr warnt der Gerätewart der Burgstadt-Wehren davor, sich ausschließlich auf die digitale Unterstützung zu verlassen. Eine Warnung, die er sowohl an die Kameradinnen und Kameraden der Wehr als auch an alle anderen Verkehrsteilnehmer richtet.

Natürlich halte sich auch die Feuerwehr an die Straßenverkehrsordnung – das gelte bei Werkstatt- wie auch bei Einsatzfahrten. Dietz: „Aber gerade, wenn es buchstäblich brennt, wenn das Blaulicht an ist und jede Sekunde zählt, können wir jeden Verkehrsteilnehmer nur eindringlich darum bitten, Vorsicht walten zu lassen und etwas mehr Abstand zu halten. Damit wir uns vor allem darauf konzentrieren können, anderen Menschen zu helfen.“

Rote Leuchtdioden und das Kamerabild warnen vor einer Person im Toten Winkel.

Rote Leuchtdioden und das Kamerabild warnen vor einer Person im Toten Winkel.

Das Führerhaus des HLF 20, an dessen Steuer Christopher Dietz hier sitzt, erinnert schon fast an eine Pilotenkanzel in Anbetracht von all der Technik.

Das Führerhaus des HLF 20, an dessen Steuer Christopher Dietz hier sitzt, erinnert schon fast an eine Pilotenkanzel in Anbetracht von all der Technik.