Landjugend wirbt mit Piktogrammen auch in Kronberg für ein besseres Miteinander auf Wirtschaftswegen

„Rücksicht macht Wege breit“ 


Steffen Hildmann und Niklas Sulzbach haben zurzeit alle Hände voll zu tun. Wie so viele ihrer Kolleginnen und Kollegen im Land müssen auch die beiden Junglandwirte aus Oberhöchstadt und Oberursel jetzt die Ernte einbringen. Und „jetzt“ sollte im konkreten Fall am besten gleich doppelt unterstrichen werden. Denn der Zeitdruck unter dem die Beiden stehen, steigt mit jedem Tag, an dem das Wetter so wankelmütig ist wie im Moment.

„Wir haben immer ein Auge auf der Wettervorhersage, müssen jedes Zeitfenster nutzen, um Getreide und Heu ins Trockene zu bringen“, erklärt Anette Hildmann, die mit ihrer Familie rund um Oberhöchstadt und bis in die Wetterau 90 Hektar Ackerland und 60 Hektar Grünland bewirtschaftet. Dazu kommen Hühner, Schweine, Rinder und ein Hofladen, in dem eigene Erzeugnisse und regionale Produkte verkauft werden. Damit ist der Hildmannsche Hof einer von insgesamt drei im Vollerwerb tätigen landwirtschaftlichen Betrieben in der Kronberg. Eine heutzutage doch durchaus beachtliche Zahl. Und Arbeit ist da immer, im Moment sogar ganz besonders viel.

Dass ihr Sohn Steffen und sein Freund Niklas sich dennoch gerade jetzt etwas Zeit genommen haben, um mit Schablone und Bodenmarkierungsfarbe rund um Oberhöchstadt Zeichen zu setzen, findet bei Anette Hildmann volle Unterstützung. Denn das, was die beiden Jungbauern auf einigen Wirtschaftswegen aufgebracht haben, ist den Hildmanns wie so vielen Landwirten ein wichtiges Anliegen.

„Rücksicht macht Wege breit“ steht da in weißen Lettern auf der grauen Decke des Wirtschaftsweges, der von der L3015 hineinführt in die Feldgemarkung zwischen Kronberg und Oberhöchstadt. Es ist der Slogan einer bundesweiten Aktion der Bauernverbände, den jetzt auch die Landjugend Friedberg aufgegriffen hat. Ausgehend von einer Wette mit dem Landrat der Wetterau, Jan Weckler, haben deren Mitglieder, zu denen auch Steffen Hildmann und Niklas Sulzbach zählen, binnen 48 Stunden mehr als 75 dieser Schriftzüge in der Region aufgebracht.

Ergänzt um Piktogramme eines Traktors, eines Fußgängers und eines Radfahrers wirbt mit der Aktion für mehr Neben- und Miteinander auf Wirtschaftswegen geworben. Wenn an besonders engen Stellen auch noch das rücksichtsvolle Hintereinander dazu kommen würde und in solchen Fällen dem Landwirt mit seinem schweren Gerät die Vorfahrt eingeräumt werden würde, wäre das ideal.

Die Realität ist jedoch oft eine andere, vor allem seitdem immer mehr Radfahrer jeden Alters aufs E-Bike umsatteln und mit deutlich mehr Pedalstärken unterwegs sind. Wenn dann ein schwerbeladener und deshalb langsam fahrender Traktor vor einem auftaucht, dann wird nicht selten gezetert, gedrängelt und versucht, die noch die kleinste Lücke zum Überholen zu nutzen, als ginge es um einen Zielsprint bei der Tour de France.
Diese Erfahrung müssen die Hildmanns wie auch so viele andere Landwirte immer wieder machen – nicht nur, aber ganz besonders während der Erntezeit. „Wenn wir mit unseren oft schwerbeladenen Gespannen unterwegs sind, können wir nicht einfach ruckartig abbremsen oder mal eben schnell zur Seite fahren, um einem Radfahrer, der er es eilig hat, Platz zu machen. Das geben die Breite der Wege und das Gewicht der Ladung einfach nicht her“, unterstreicht Steffen Hildmann.

Zwar sei noch nichts passiert, ergänzt Annette Hildmann. Aber knapp sei es schon mehr als einmal gewesen. So sei in einem Fall ein Radfahrer beim Versuch, sich an ihrem Mann und dessen Schlepper vorbeizuschlängeln, auf den Randstreifen geraten und vor dem Traktor auf den Weg gestürzt. Ihr Mann habe den Radfahrer zum Glück noch rechtzeitig bemerkt und den Schlepper gestoppt. Hildmann: „Man mag sich gar nicht ausmalen, was hätte passieren können.“
Genau um solche Situationen zu vermeiden, haben Niklas Sulzbach und Steffen Hildmann die Piktogramme in der Feldgemarkung aufgebracht. Man wolle ganz bewusst nicht mit dem erhobenen Zeigefinger darauf hinweisen, dass man eigentlich Vorfahrt habe. „Das sind Wirtschaftswege, die auch für den Radverkehr freigegeben wurden. Und nicht Radwege, auf denen Landwirte unterwegs sein dürfen“, unterstreicht Steffen Hildmann.

Dass die beiden Jung-Landwirte rund um die Burgstadt gut sichtbare Zeichen für mehr Miteinander gesetzt haben, begrüßt Kronbergs Erster Stadtrat Heiko Wolf nachdrücklich. Entsprechend gerne habe man seitens der Stadt die Zustimmung dazu gegeben. Wolf: „Als Gemeinwesen können wir froh und auch stolz darauf sein, dass sich bei uns noch Familien und ganz besonders junge Menschen finden, die die Landwirtschaft mit viel Arbeit und Herzblut in der Region hochhalten. Und das nicht nur, weil wir heutzutage mehr denn je auf regionale Produkte setzen sollten, sondern vor allem auch, weil sich unsere Landwirte um die Pflege unserer Kulturlandschaft in besonderem Maße verdient machen“, unterstreicht Wolf.

Hinweis: Der Griff zu Schablone und Markierungsfarbe ist für Steffen Hildmann, Niklas Sulzbach und ihre Freundinnen und Freunde von der „Landjugend Friedberg“ das, was man neudeutsch wohl gerne als „Win-Win-Situation“ bezeichnet. Einerseits können Sie damit auf ein wichtiges Thema aufmerksam machen. Und andererseits haben sie damit eine Wette gewonnen. Eingegangen war die der Landrat der Wetterau, Jan Weckler.

Innerhalb von 48 Stunden, so die Wette der Landjugend, wollten sie 75 der auffälligen Piktogramme auf Wirtschaftswegen in der Region aufbringen. Die Kosten für die Farbe übernahm der Landkreis, den Wetteinsatz der Landrat. Sollte die Landjugend gewinnen, so Weckler, würde er die Schirmherrschaft für die Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen der Landjugend am 26. Oktober 2024 übernehmen. Ein Termin, den er sich jetzt schon einmal rot in seinen Kalender eintragen sollte. Schließlich schafften die jungen Leute nicht nur die vorgegebenen 75 Piktogramme, sondern überschritten letztlich sogar die 100er-Marke. An der Aktion beteiligten sich neben Kronberg noch zahlreiche weitere Gemeinden und Städte, darunter Karben, Wölfersheim, Rockenberg, Reichelsheim, Friedberg, Wöllstadt, Hüttenberg, Nidderau, Rosbach, Niddatal und Butzbach.